Was sonst noch so geschah…

Eine Reflektion über einige Touren der Winter 2015 und 2016

Nach geschaffter Begehung lässt Flo sich einen heißen Tee schmecken
28.02.2015: Flo lässt sich den heißen Tee schmecken, nachdem wir den Federweiß in der Gasteiner Eisarena hinaufgeklettert sind.

Liebes Tourenbuch,

da liegst du nun, achtlos in die digitale Ecke geworfen, und wartest schon seit Monaten darauf, dass wieder ein paar Zeilen deine Seiten füllen; schuldbewusst fange ich deine vorwurfsvollen Blicke auf und will in den folgenden Absätzen versuchen, die zeitliche Lücke der letzten 12 Monate zu füllen - so gut ich das eben aus dem Gedächtnis schaffe.

Jetzt also auch noch Eisklettern! Nach frühen, zaghaften Versuchen an den heimatlichen Übungswasserfällen im toprope und etwas ambitionierterem Herumpickeln an den Eisfällen in Kolm-Saigurn und in Sportgastein, überzeugte mich Flo von einem Besuch in der Eisarena im Gasteinertal.
Flo, seit einem Jahr vom Eisklettern und Drytooling angesteckt, hat mich ursprünglich als Sicherungs-, nicht aber als Kletterpartner für seinen Erschließungsversuch eines kleinen Drytooling-Gebiets im Loferer Hochtal gewinnen können. Nein, mit den Eisgeräten an irgendwelchen Felsnasen herumhängen gefiele mir nicht, erklärte ich ihm damals, zitternd am Höhlengrund stehend und Flo sichernd, der sich mit der Bohrmaschine vorsichtig im Vorstieg an zweifelhaften Kalkbäuchen in die Höhe arbeitete (wobei ich zugebe, dass mir ein Versuch in seiner Route dann doch einen ganz eigentümlichen Genuss bereitete). Einen richtigen Eisfall klettern, das würde mir schon eher taugen, sowas wie den Federweiß-Fall, den uns Hermann ein paar Tage zuvor vom Parkplatz der Gasteiner Eisarena aus gezeigt hatte. Flo konnte offenbar auch trotz des Bohrlärms gut hören und nahm mich gleich beim Wort. So kam es, dass wir schon am nächsten Tag ins Gasteinertal fuhren. Und ich darf sagen, dass wir uns dort sehr ordentlich gehalten haben und den Eisfall schnell und sicher hinauf - und vor allem auch wieder herunter - gekommen sind (obwohl uns eine Gruppe Tschechen gleich bei der Ankunft die Schneid abkaufen wollte und uns von einstürzenden Eismassen am benachbarten Mordor erzählte. Flo, in der Hoffnung auf Insider-Informationen nicht fad, erkundigte sich nämlich zuerst noch schnell bei mir nach ein paar englischen Fachbegriffen, bevor er die 5 Tschechen in breitestem Tirolerisch ansprach:"'tschuidige,…")

Mitte März 2015, Frühlingsbeginn. Seit mehr als einem Jahr bin ich wieder einer Alpenvereinsgruppe zugehörig, nämlich der erlesenen Hochgebirgsgruppe, und das ganz ohne Aufnahmsprüfung. Hias in seiner Eigenschaft als Obmann hatte ein HG-Skitourenwochenende ins Jahresprogramm geschrieben und nach reichlichen Recherchen das Pfitschertal als Ausgangspunkt für zwei anspruchsvolle Tourentage ausgewählt. Trotz zweifelhafter Wetterprognose sowohl was den Bereich nördlich als auch jenen südlich des Alpenhauptkamms anging, machte sich der Freundeskreis, auf den sich angesichts der Wetter- und Schneeprognosen die personenmäßig zahlreiche Gruppe der Leoganger HG reduziert hatte, auf den Weg - und landete einen Volltreffer: beste Aufstiegs-, Schnee- und Fotografiebedingungen am ersten Tourentag am Schrammacher mit seinen 3410 Metern Höhe. Die Hohe Wand gleich daneben gab's dann noch als Draufgabe, wobei ich gestehe, dass ich wegen eines beleidigten Magens der Vorsilbe "Drauf" dann doch auch noch ein "Gehen" nachstellen mußte, erst beim zweiten Bier - jenes, das die Kasse der HG großzügig spendierte - im fast mittelalterlichen Gasthof in Stein kam ich wieder einigermaßen zu Kräften. Vollends erholt waren wir dann alle nach einem ausgiebigen Wellness-Besuch in unserer Unterkunft im Pfitscherhof, der unseren Präsidenten allerdings etwas unzufrieden stimmte: soviel Komfort auf einem HG-Ausflug ginge zu weit. Die Unterkunft beim nächsten mal werde definitv aus einem Winterraum bestehen.

Der folgende Tag im Pfitscher Tal, der uns am Gipfel der Hohen Felbe hätte sehen sollen, hielt im Gegensatz zum Vortag leider wettermäßig, was die Prognosen Tage zuvor verheißen hatten: Schneefall und schlechte Sicht ließen uns umkehren, ohne des Gipfels ansichtig geworden zu sein. Präsident Hias gab zwar als Spurer im steilen Hang zur vermuteten Scharte alles, getreu einem Motto vergangener Jahre, das da lautete "die pure Vernunft darf niemals siegen", was ihm aber im Gegensatz zu damals diesmal nur den Ärger und die Schelte der übrigen Gruppe einbrachte. Aber auch das Gefühl, richtig entschieden zu haben, kann eine tiefe Befriedigung, ähnlich jener beim Erreichen eines Gipfels, auslösen.

Ein ereignisreiches Jahr später: im Frühling bekomme ich rechtzeitig zur Boulder-EM in Innsbruck das Abschlusszeugnis für den Instruktor Sportklettern Leistungssport, dann noch ein Besuch am Großvenediger, diesmal im Sommer mit Johnny und Jakob, ein denkwürdiger Tag mit Hans in der "Men at work" am Alphorn an einem der ersten Hitzetage dieses Sommers, wo wir der Bredouille eines Sonnenstichs irgendwo im Niemandsland, ohne Wasser und ohne Handy, nur dank der starken Bänderung des Gipfelaufbaus im wahrsten Sinn des Wortes gerade noch in Richtung schattige Gipfelschlucht entkommen konnten. Dafür stieg ich mit Hias während einer weiteren der so häufigen Hitzewellen dieses Sommers bravourös durch die Südwand des Bratschenkopfs:"Freier als Paul Preuß", ein weiteres, lang gehegtes Ziel. Ende August ein Ausflug auf die Hohe Dock samt Absturz meiner kleinen Fotokamara über die haltlosen Bratschen, als ich meinen Bruder in seiner Funktion als Bewarter auf der Schwarzenberghütte besuchte. Das waren vielleicht Tage! Die anfangs so zuversichtliche Bewartertruppe war am Ende dieser Woche buchstäblich ausgebrannt. Unvergesslich der letzte Abend und die letzte Nacht auf der Hütte: volltrunken (vor Freude) um 3 Uhr ins Lager, hellwach und konzentriert um 5 Uhr wieder auf zum Frühstück vorbereiten. Öfter als einmal hätte ich das nicht geschafft, für Theo, Harald und Co. war es nur der Schlussstrich unter eine Woche Himmel und Hölle auf Erden!
Und die Sehnsucht des Sportkletterers nach Erfüllung wurde 2016 durch die Erstbegehung meines Projekts "Rinaldo 8a+" auch noch gestillt. Gründe genug, sich auf einen schneereichen Winter 2016 zu freuen.

Aber der wollte einfach nicht kommen. Stattdessen Weihnachten am Bärenköpfl mit Turnschuhen und Sonnenbaden an den Südseiten der Steinberge. Mit Flo ergaben sich dadurch vor Silvester 4 fantastische Klettertage am Schleierwasserfall, wo eine nicht on-sight geschaffte 7c+ uns schon fast unzufrieden stimmte. Irgendwie wehmütig nahmen wir die sich doch noch ankündigende Wetterverschlechterung zur Kenntnis. Naja, dann eben doch wieder Skitouren, obwohl der unaufhörliche Wechsel von Nord- und Südströmung keine rechte Tourenfreude aufkommen lassen wollte.

An einem wunderschönen, in den Tälern bereits frühlingshaften Februartag strebte die HG dem Manlitzkogel im hinteren Glemmtal zu. Es ist schon viele Jahre her, seit ich das erste und bisher auch einzige mal auf seine Spitze kam: damals noch in der Tourengruppe meines Vaters, alles ausdauernde und konditionsstarke Geher, von denen in diesen Tagen viele nicht mehr leben. Damals an der Basis der Alterspyramide beheimatet, ist mein Platz innerhalb der Tourengruppe nunmehr an der vordersten Spitze. Allerdings nur was die Jahre betrifft, in der Reihenfolge in der Aufstiegsspur bin ich immer ganz am Schluss. Aber ist es das Alter oder der schwere Rucksack mit dem großen Fotoapparat, der mich der HG Leogang ständig hinten nach hecheln lässt? Böse Zungen könnten behaupten, dass es sich auf meinen Bergfotos um irgendwelche Leute handelte, weil man niemals ihre Gesichter sondern immer nur ihre Rückansichten sieht. Wie dem auch sei: ich möchte mich auf vielen unserer gemeinsamen Touren nicht um das Vergnügen schöner Fotos bringen lassen, auch zu dem Preis, wegen des ständigen Wechsels von Stehenbleiben und Nachlaufen stets als Letzter anzukommen und immer müder als die anderen zu sein.
Der Manlitzkogel war diese Saison trotz etlicher Ausflüge auf den Krünbachriedl und das Sunnkegei meine erste "echte" Schitour und wurde auch mit richtig gutem Schnee bei der Abfahrt ins Schwarzachental belohnt.

Am letzten Februarwochenende des Jahres 2016 stand schließlich noch eine HG Skitour auf dem Programm, diesmal ganz offiziell vom Präsidenten per SMS an alle Mitglieder angekündigt aber nur mit wenigen Rückmeldungen belohnt. Trotzdem fand sich schließlich eine siebenköpfige Gruppe im Krallerwinkel mit dem Ziel Selbhorn ein. Da war ich noch nie und der Respekt vor der Tour war aufgrund der kolportierten Länge entsprechend groß. In guter HG Tradition startete die Gruppe auch gleich mit einem für meine althergebrachten Begriffe affenartigen Tempo, schon nach 100 Metern war ich geschätzte 100 Meter im Rückstand. Wenn ich jedoch in den vergangenen 40 Jahren in den Bergen etwas gelernt habe, dann folgendes, dass man - dass ich! - speziell am Beginn des Aufstiegs ein langsames - mein Tempo gehen muss. Daher trottete ich ein weiteres mal den Kollegen hinterher, die auf der Freithofalm netterweise warteten und nicht sofort bei meinem Aufschließen weiterstürmten. Bis auf die Buchauer Scharte wechselten die Positionen und ich lief dort an 3. Stelle ein, was für ein Erfolg! Und welch hoher Preis angesichts der Strapazen, die auf den restlichen Höhenmetern noch warteten. Gott sei Dank hielt sich die Erschöpfung so weit in Grenzen, dass sich der Griff zum Fotoapparat und der Anschluss an die Gruppe doch immer wieder irgendwie ausgingen. Lustigerweise war nicht nur das Aufstiegstempo hoch, sondern auch die technischen Abläufe des Abfellens und Schnallenschließens erfolgten bei den alten HG Füchsen doppelt so schnell wie bei mir. Ja, Formel 1 Rennen werden auch in der Box und nicht auf der Strecke gewonnen.
Jedenfalls, liebes Tourenbuch, und damit beschließe ich diese Rückschau auf ein paar der Ereignisse, die zwischen Februar 2015 und Februar 2016 lagen, belohnte uns die Buchauer Scharte bei der Abfahrt mit feinstem Firn, sodass ich diesen seltsamen Winter in gar nicht so schlechter Erinnerung behalten werde, wie es ursprünglich den Anschein hatte.

Hochfeiler überm Nebelmeer
21.03.2015: Überm Pfitscher Joch entsteigen wir gegenüber dem Hochfeiler dem Nebelmeer.
Hannes und Nici auf den letzten Metern zum Gipfel
Hannes, Nici und Magdalena auf den letzten Metern zum Gipfel des Schrammacher
Hannes und Nici auf den letzten Metern zum Gipfel
22.03.2015: Abfahrt von der Hohen Felbe zurück in Pfitscher Tal. Den Gipfel mussten wir wegen des Nebels sausen lassen.
Fast in Reih' und Glied
20.02.2016: Beinahe perfekte Gruppendisziplin. Aber wer genug Kondition hat, kann auch ausscheren.
Letzte Rast unterm Manlitzkogel
Der dominanten Erscheinung des Winters 2016 ausgeliefert: Südföhn unterm Manlitzkogel
Skitourengeher am Weg zur Schönfeldspitze
27.02.2016: Von der Buchauer Scharte aus sehen wir eine Gruppe der Schönfeldspitze zu streben. Wir halten uns rechts und gehen auf das Selbhorn.
Tanja im Licht/Schatten der Schönfeldspitze
Die konditionsstarke Tanja gegen die Pyramide der Schönfeldspitze.

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