Der Touren-Winter 2011/2012

Erinnerungsfetzen an einen schnee- und erlebnisreichen Winter

Kreuzköpfl Ein nicht endenwollender Herbst mit trockenen, warmen und klaren Novembertagen. Im T-shirt mit Arthur in der "Groove to Paradise" auf der Steinplatte rund um das erste Adventwochenende. Kühle Witterung zu Nikolaus am Salzburger Christkindlmarkt beim Singen vor dem Dom, später Regen und Kälte beim Weihnachtskonzert in der Müllner Kirche. Ein schwerkranker Chorleiter und frierende Soprani und Alti.

Drei Wochen Weihnachtsurlaub mit Schnee noch vor den Feiertagen - Hurra! Zwischen Weihnachten und Heilige Dreikönige abwechselnd auf Sunnkegei, Krünbachriedl und Kuhfeldhörndl. Linsensuppe im nagelneuen Asitzbräu, dazu ein Seiterl. Traumhafter Pulverschnee in der Torrinne, Begegnung mit Hias und Hermann in Damenbegleitung im Aufstieg, während die Hochfilzer und ich schon ins Tal jagen.

Marbachhöhe und Kuhkaser, abgeweht aber dennoch gut zu fahren. Danach speisen Moni und ich im Chinarestaurant. Mit Hias in der Forsthofalm auf ein Mittagessen und ein Bier - über Sunnkegei und Vorderhofmahdei. Allein am Spielberg mit einer einzelgängerischen Gams, keine 30 Meter entfernt. Dann doch noch für leichtsinnige Spuranlage geschimpft. Schneeknollen am letzten Hang hinunter zum Spielbergtörl, nichts Aufregendes. Der Wetterbericht sagt Schnee voraus, viel Schnee.

Sunnkegei und Krünbachriedl. Immer wieder Neuschnee, immer wieder von neuem Spuren. Kein Meter niedergetretenen Schnees überdauert die folgende Nacht, die makellose Schneelandschaft ersteht jeden Morgen neu. Mit den Schallner-Brüdern auf die Schwalbenwand am Samstag, bei Wind, Kälte und Nebel, und aufs Kreuzköpfl am Sonntag, bei Wind, Kälte und Sonnenschein. Ehrfurcht und ein mulmiges Gefühl beim Anblick der vielen Schneebretter. Fotos für Lawine Salzburg, aber dort gratuliert man sich lieber zu schwierigen Touren.

Zeitausgleich am Freitag, volée um sechs in der Früh von Salzburg in den Pletzergraben. Keine Spur von der Grubalm hinauf zum Wildseeloder. Tschoch und Sinnkrise beim Hin- und Herqueren aufs Joch. Überwindung der Sinnkrise am sonnigen Gipfelgrat. Am Abend vier AV-Mitglieder bei der Tourenbesprechung. Am Sonntag morgen dann sechs Teilnehmer bei der Tour auf den Wildseeloder. Tolle Spur von der Grubalm auf den Wildseeloder, muss vom Freitag sein. Wundervoller Pulverschnee vom Gipfel bis ins Tal, als Dritter im sonst unverspurten Gipfelhang. Aber auch Lawinenmäuler und frische Schneebretter an den steilen Osthängen. Anschließend freigehalten beim Frick.

Nach dem denkwürdigen Winter 1999 mit Rekordschneehöhen zum ersten mal wieder auf dem Hausdach zum Abschöpfen. Totalräumung. Kubikmeter um Kubikmeter Schnee wird in die Tiefe befördert und übermannshohe Schneehaufen verdecken schließlich die Aussicht aus den ebenerdigen Fenstern. Hoffnungslos zugeschütteter Weg zur Holzhütte, die ebenfalls unter dem Gewicht der weissen Pracht ächzt. Am Abend Schwindel, Schulterweh und müde Unterarme wie nach einem anstrengenden Klettertag.

Ein schneller Ausflug am Nachmittag auf meinem ureigensten Weg hinauf auf die Reiteralm. Unverspurter Hang mit Frontalsicht vom Asitz. Berauschende und provokante Abfahrt bei Idealbedingungen, neidvolle Blicke aus vielen schattigen, blauen Gondeln herüber zu mir auf die Sonnseite. Das Spiel wiederholt sich: Aufstieg und Wedelschwünge ohne Abzusetzen. Und noch einmal da capo. Am Weg zurück nach Hütten beginnt es bereits überzuziehen. Am Abend und in der Nacht schneit es. Heftig. Nichts bleibt über von den kunstvoll angelegten Tiefschneeschwüngen. Am folgenden Tag biegen sich Bäume unter der schweren Last, Baumstämme knacksen und knicken. Der Schnee auf der Reiteralm ist zu tief um Schwünge zu fahren und der Blick von der Asitzbahn auf meine Seite herüber auch nicht frei.

Mit Hias auf die Durchen. Lawinenwarnstufe 3, wir gehen weiter zur Sausteige. Konditionseinbruch unterm Haiderbergkopf, der mit Kuchen aus Hias prall gefüllter Tupperware-Dose eliminiert wird. Unterschiedliche Entscheidungen bei der Wahl der Abfahrt: Hias über die steile Nordseite, ich über den flachen Rücken nach Osten. Ein Ast schlägt mir beim Durchfahren im sumpfigen Tiefschnee die Brille von der Nase. Strafe für Prinzipientreue?

Dann war da noch der Hochkogel. Durchschimmerndes Blau am nebelüberzogenen Himmel, verlorener Kampf der Sonne. Zu dritt den Gipfel erreicht, zu dritt im dichten Nebel dieses Tages verloren gegangen. Irrfahrt nach links, immer weiter nach links, dann doch zurück nach rechts. Irgendwann lichte Baumgruppen, danach die wiedergefundende Aufstiegsspur. Verirrt im Glemmtal, wer hätte das gedacht? Auch auf den Hennakopf mit Moni und Elisabeth nicht vergessen, trotz oder wegen der -20° im Tal beim Weggehen. Trotzdem Schwitzen auf den Sonnenhängen, Scherze über lange Unterhosen. Noch einmal Pulverschnee und zum dritten mal Kasnocken in einer Woche.

Das Moosbauernköpfl, einer von Steiner Hausls Geheimtipps. Naserümpfen ob der ewigen Grasbergtouren. Dann aber steile Hänge, Zöpfeflechten im tiefen Schnee und viele, viele Höhenmeter beim Wiederaufstieg von der Moosbauernalm auf den Gipfelgrat. Dem Hermann fällt aber auch immer wieder etwas Neues ein!

Semesterferien in der Steiermark, Helmut ist mit der Familie auf Besuch im Pinzgau. Eine gemeinsame Schitour ist Tradition, Exklusivität schon beinahe Pflicht. Grollende Nassschnee-Rutsche in den steilen Rinnen und Gräben des Lahnerhorns, tiefer stumpfer Schnee im Ebersbergkar. Das Birnhorn will uns an diesem Tag nicht, schlecht gegen den Wind geschützt kauern wir unter der Kuchelnieder und essen die Gipfeljause. Der Wind entführt das Netz für die Steigfelle. Kein Mensch außer uns ist im immer überlaufenen Ebersberg unterwegs. Der Gasthof Frohnwies weist uns, durstig, ab, der Gasthof Auvogel nimmt uns dafür auf. Trotz Wasserrohrbruch und außerhalb der Öffnungszeit.

Dauerlaufende HG vom Lechnerhäusl hinein in's Krumltal, Richtung Hocharn. Firn und Pulver, wir wählen Pulverschnee. Jeder kommt zum Spuren dran. 300 Höhenmeter, 30 Minuten. Erst 12 Höhenmeter pro Minute, 10 Minuten später 10 Höhenmeter/min, nach zwanzig Minuten 8 m/min. Nach einer halben Stunde 0 m/min, Rasten und Schauen. Eiskalter Wind im Gipfelbereich, Hias reisst sein Fell ab. Erste beim Spuren und erste im steilen Nordhang unterm Gipfel. Fotos und Juchizer. Wieder einmal der beste Schnee des ganzen Winters. Zum ersten mal dieses Jahr Sitzen auf der Terrasse nach der Tour, bei Bier und Suppe im Lechnerhäusl. In der Nacht Wind und Neuschnee, der die Spuren, die wir gern hinterlassen hätten, einmal mehr zudeckt.

März ist da, kalte Nächte und warme Tage, Firnschnee. Sesselwetzen in der Arbeit bis ich es nicht mehr aushalte. 2 Tage Zeitausgleich, 2 Tage Wochenende. Hasenhals zum Eingehen, Ritzenkar und Birnhorn als Freitagstour, Aufstehen um 4 Uhr früh für den Hundstod am Samstag, Hasenhals zum Ausklang am Sonntag. Da braucht es dann schon ein bißchen Überredungskunst, aber nicht viel. Denn im selben Maß, wie in diesen vier Tagen die Beine schwerer werden, werden Seele, Geist und Herz leichter.

Und das Ende ist offen.

Zumindest eine Woche lang. Denn am Freitag ergibt sich die Möglichkeit, mit Sven und Bernd in die Loferer zu gehen. Wieder früh aufstehen, eine Stunde in's Innergebirg fahren und am Parkplatz der Vorderkaserklamm erstaunt feststellen, dass sich die Schneedecke bereits zurückzuziehen beginnt. Es ist unglaublich warm und der Schnee trägt fast nicht. Über steile Kuppen und Rinnen hinauf auf's Vorderhorn und wie auf rohen Eiern wieder hinunter. Ich sitze mitten in einem trägen Nassschneerutsch und es geht stetig bergab - ohne energische Aktivität würde sie mich unaufhaltsam hinunterziehen. Glückliche Blicke auf unseren Gipfel von der Sonnenterrasse des Gasthof Seisenbergklamm. Und weil ich schon einmal da bin gibt es noch ein paar glückliche Klettermeter mit der Steigklemme auf den Straßenpalven des Kleinen Verdon.

Am ersten April die Spielbergrunde bis zum Asitz - kein Scherz, wann gab's das zuletzt um diese Jahreszeit? Niemand interessiert sich mehr für den Spielberg, ich bin allein unter Gemsen. Blicke auf's apere Saalfeldner Becken hinter mir und mächtige Schneewechten vor mir. Wann bin ich zuletzt über's Kuhfeldhörndl auf den Spielberg? Früher war der Spielberggipfel nichts Besonderes, heute ist er es sehr. Wenig Sonne, die Wolken sind hartnäckig. Rast am Spielbergtörl mit einem duftenden Apfel vom Oktober. Quälend langer Rückweg zum Asitz, noch einmal Linsensuppe und ein Seiterl im Asitzbräu zur Belohnung. Glücksgefühl und Melancholie sind enorm: 20 Jahre sind vergangen, seit ich diesen Weg das erste und bis heute einzige mal ging.

Sonntag, 9.April: die Skitouren-Saison ist zu Ende. Lustlos stehe ich auf, lustlos packe ich den Rucksack und lustlos starte ich vom Halserbauer. Die Umgebung, so vertraut, gibt mir heute keine Energie. Vorbei am Niederkaser, müde und zweifelnd hinein in den Fellerer Sand. Unglaublich viel Neuschnee, vom Ochsenhorn stürzen kleine Staublawinen herunter. Ich gebe auf: mit etwas Murksen zurück in's Griesltal, tiefe Dankbarkeit für die Erlebnisse der vergangenen Wochen und Monate und ein Abschied vom Winter 2011/2012 ohne Wehmut und Reue.

Wildseeloder
Kuchlnieder
Ritzenkar
Hasenhals
Vorderhorn
Spielberg

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