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Die Überraschung war einigermaßen groß, als zur
Vorbesprechung zu der als "AV-Tour auf das Birnhorn" angekündigten
Veranstaltung nicht nur Hias und Hermann, sondern noch weitere 5 Interessenten
aufgetaucht waren, war doch der Termin der Besprechung von Donnerstag auf Freitag verlegt
worden, die Schneesituation im Tal bereits sehr trist und die Wettervorhersage
für den Samstag äußerst schlecht. In Verlegenheit brachte mich
dabei die Gegenwart von Leo Hirschbichler, der aufgrund seiner Erfahrung ja
wirklich nicht auf mich als Tourenführer angewiesen ist, kennt er doch die
Berge der Umgebung 100 mal besser als ich. Die Voraussetzungen für eine
Blamage bei meinem Debut als AV-Tourenführer konnten also besser nicht
sein. Die anfängliche Hoffnung, die Tour ersatzlos abblasen zu können,
verpuffte sofort angesichts der motivierten Interessenten und der brauchbaren
Wetterprognose für Sonntag, auf den ich die Tour sofort verschoben
hatte. Eigentlich wollte ich schon sehr gern eine Stoaberg-Skitour anbieten,
ist doch nichts so grandios und unvergesslich wie eine Skitour zwischen den grauen
Felsen der heimatlichen Berge. Das Grün im Tal hatte aber das Birnhorn als
Ziel bereits unmöglich gemacht, und ein gleichwertiger Ersatz dafür
bot sich nicht leicht an. In
der größten Ratlosigkeit erinnerte ich mich aber an den Dezember
2004, der im Tal ähnlich schneelos war wie dieser März, aber unglaubliche
Firnverhältnisse auf der Höhe bot und mir damals einen fantastischen
Tag am Loferer Rotschartl bescherte. Wenn uns das schattige Griesltal
nur erlaubte, auf einer durchgehenden Schneedecke bis ober den Niederkaser zu
gelangen, dann wäre das Traunspitzl ein wahrhaft würdiger Ersatz für
das majestätische Birnhorn und sein immer und ewig abgeblasenes Ebersbergkar.
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In meinem Tourenbuch findet sich eine Eintragung vom Sommer 1983:
Traunspitzl
Heute machte ich Bekanntschaft mit dem Leistungsbergsteigen...
Ich erinnere mich noch gut: mein Vater kam überraschend bereits zu Mittag
unter der Woche von der Arbeit nach Hause und kündigte eine sportliche
Bergtour, die er mit genau dem Begriff "Leistungsbergsteigen" bezeichnete, an,
und ob ich da nicht mitgehen wollte. Ich wollte. Es war dies in meiner Erinnerung
das einzige mal, dass ich erlebte, dass mein Vater nach Mittag zu einer
Tagestour in die Berge aufbrach - die Bergtouren auf's Birnhorn zur Sonnenwende
natürlich ausgenommen - und es war wahrlich ein Lauf, soweit ich mich
noch daran erinnern kann, die Ankunft am Gipfel am Ende meiner jungen
Kräfte auf einem Berg in einer Umgebung, die damals unheimlich fremd und
unbekannt, gänzlich unvertraut war. Unvergesslich ist mir die Rückkehr in der
Abenddämmerung zum Halserbauer, wo das Auto geparkt stand, und die
berühmte Fani ihre Gäste bewirtete. Ich weiß noch ziemlich genau, wie
wir in der Stube unter einer ganzen Menge anderer Menschen hockten
und den ungeheuren Durst löschten, den wir
mitgebracht hatten, denn es war damals noch die Zeit, als Trinken beim
Bergsteigen als ungesund, ja gar gefährlich galt; ich glaube nicht, dass
ich damals schon Bier trank, eher ein Kracherl oder zwei; und ich habe ganz
tief im Gedächtnis eingegraben die Vorstellung von der Stimmung,
den Lauten und Gerüchen, die in dem vollen Zimmer herrschten.
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Mit 13 Gefährten im Rücken, die mir folgten wie Gänschen ihrer Mutter,
erreichte ich erleichtert den Sattel über dem Niederkaser, der trotz
seiner sonnigen Lage genügend Schnee aufwies, um die Tour problemlos
fortsetzen zu können. Ich hatte Hermann gewinnen können, die Rolle
des "Nåchitreibers" zu übernehmen und war unendlich
dankbar für das Wissen, einen Bergführer in der Gruppe zu
haben. Hermann hatte letztlich sogar auf das Traunspitzl verzichtet, um diejenigen aus
der Gruppe beim Rückweg vom ausgesetzten Grat des Traunspitzls zum
Rotschartl zu unterstützen, die sich die letzten Meter zum Kreuz nicht
mehr zugetraut hatten.
Entgegen aller Erwartungen hatte sich der
hochnebelverhangene Morgen zu einem
prächtigen Tag mit blitzblauem Himmel und warmen Temperaturen entwickelt,
der die Sektionsmitglieder des Alpenvereins aus Leogang ordentlich zum
Schwitzen brachte, und auch den frischen Schnee von den Vortagen schnell in
jene Phase umwandelte, die sich so gern und so schnell als Stollen auf der
Unterseite der Ski anlegt. Am Weg unterm Dreispitz vorbei machte ich mir das
erste mal Sorgen, den Anstrengungen dieser Tour nicht gewachsen zu sein,
möglicherweise sogar als einziger nicht gewachsen zu sein, denn obwohl
meine Anvertrauten zwar schwitzten und nur wenig miteinander redeten, machten
sie doch einen sehr guten Eindruck auf mich. Erst jetzt bemerkte ich auch, dass Hias
nur mehr mit einem Stock unterwegs war, er hatte den zweiten bei einem
Ausrutscher abgebrochen, den ich ihm eingebrockt hatte, als ich bei der Querung
oberhalb des Niederkasers zu hoch angesetzt hatte. Sich die Blöße
eines Schwächeanfalls zu geben, kam aus mehreren Gründen nicht in
Frage. Dankenswerterweise hatte Birgit ein Schneestollen-Notfallpaket im
Rucksack, das aus einem alten Schilling-Silberzehner und Wachs für die
Steigfelle bestand und sich hervorragend bewährte. Um mehr als zwei Kilo Schnee erleichtert war es mir dann auch
möglich, den Fellerer Sand anzugehen und nach endlosen 300
Höhenmetern auch unter mich zu bringen.
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Den Fellerer Sand und das Rotschartl habe ich immer schon mit viel Mühe
und Schweiß bezahlen müssen, 2 mal für die "Gelee
Royale", 2 mal für den Westgratturm und seine Routen in herrlichem
Kalk, und 3 mal für's Traunspitzl, obwohl nach meinem ersten Besuch mit 14
Jahren nie mehr etwas daraus geworden ist und ich immer knapp unter dem Kreuz
umgedreht hatte.
Die 10 Minuten vom Rotschartl zum Gipfel des Traunspitzls erlaubten noch einmal,
die Unzugänglichkeit des Loferer Stoabergs am eigenen Leib zu erfahren. Nicht umsonst sind
in der Skitouren-Karte dieses Gebirgsstocks ausser der Route auf das
Skihörndl keine anderen Skirouten eingezeichnet. Bevor wir die Inschrift
auf dem wunderschönen Kreuz lesen durften, mussten wir über ein paar
Felsstufen klettern und dann auf der Ostseite des Gipfelgrats zum höchsten
Punkt durch unberührten Tiefschnee wacheln. Zu fünft fanden wir uns dann schließlich
händeschüttelnd und ehrfürchtig angesichts der majestätischen
Umgebung am von Metallsäulen getragenen Glaskreuz ein.
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Der Kontrast, wenn man von der Vorderkaserklamm oder so wie wir heute vom
Griesltal aus auf das Loferer Rotschartl kam und in die kleine
Wehrgrube schaute, konnte größer nicht sein, die Einsamkeit der
Südseite des Loferer Stoabergs wich dem Getümmel der Skitouristen-Ameisenstraße, die auf das
Loferer Skihörndl führte. Angesichts des Pulverschnees im Schatten
des Ochsenhorns griff ich Hermann's Vorschlag gern auf, durch die Wehrgrube und
entlang der Schwarzen Wand in's Loferer Hochtal zu fahren und von dort mit dem
Taxi zurück zum Ausgangspunkt zurückzukehren. Die Abfahrt erwies sich
ebenso wie der Aufstieg als harmonisch und problemlos, ich bin sehr stolz auf
meine Begleiter, die diese Tour so tadellos bewältigten. Ingolf hatte uns
inzwischen von daheim aus telefonisch 2 Taxi-Busse organisiert (ich darf
bemerken, dass hier das Bergführer-Netzwerk bestehend aus Hermann und
Ingolf sich einmal mehr bewährt hat!), sodass wir im Hochtal angekommen
keine 10 Minuten warten mussten, um in die bequemen Kleinbusse einsteigen zu
können, die uns zurück zu den Autos im Griesltal brachten.
Teils auf dem Holzstaffel, teils auf Bierbänken vor dem Hof des
Halserbauern sitzend, keine 10 Meter vom enormen Misthaufen entfernt, genossen
wir unser TAB, das Touren-Abschluß-Bier; vielleicht etwas zu schnell,
vielleicht auch etwas übermäßig was mich betrifft, aber trotz
des beginnenden Schwindels immer
im vollen Bewußtsein des großen Geschenks, das mir an diesem Tag
gemacht worden ist, die Unterstützung der Freunde gehabt, 13 Menschen
anführen gedurft, und diese auch wieder gesund nach Hause gebracht
zu haben.
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