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Es ist dieselbe Angst wie immer, trotzdem ist es anders. Angst vor dem
Hinunterfallen und sich verletzen. Obwohl nagelneue Bohrhaken auf
Fußhöhe keinen Anlass zu dieser Angst geben. Doch es ist ja nicht das
Vorhandensein zuverlässiger Sicherungen unten, es ist das Fehlen von
Haken oben, was den Hals zuschnürt und den Körper verkrampfen
läßt. Und vor allem auch die Ahnungslosigkeit, wohin es gehen soll,
ob der Weg überhaupt möglich ist, welchen Fels und welche
Schwierigkeiten auf dem weitern Weg auf uns warten.
Es ist Maschts und meine erste Tour, die wir im Vorstieg erkunden und
erschließen wollen; die Kaserwand-Tradition - wenn man es so nennen will -
zwingt uns ja beinahe dazu. Der Bosch Bohrhammer und die Haken, die uns von der
Sektion Leogang des ÖAV gesponsert worden sind, geben uns den nötigen
Rückhalt, den wir brauchen, um uns in den Plattenpanzer über uns
überhaupt hineinzutrauen.
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So sieht's aus: noch müde vom Setzen des letzten Haken hängt der
Vorsteiger im Seil und studiert die nächsten Meter. Noch hängend
werden die Griffe in Reichweite ertastet und Tritte eingeprägt. Es kostet
ordentlich Überwindung, wieder zuzupacken und dem Freund zuzurufen,
dass es weitergeht. Wie üblich sind mehrere Anläufe
nötig, bis nicht mehr nur das Fleisch - immer noch schwach - sondern auch
der Geist willig ist. Zwei, drei Züge, heimliche Freude, dass es in
freier Kletterei
weitergeht und Griffe zum Festhalten da sind, dann aber Panik, weil der letzte
Haken aus der Reichweite sämtlicher Extremitäten zu verschwinden droht und die
Arme müde werden und zu verkrampfen beginnen. Ein
kurzer Blick, wie es weitergehen könnte, dann schleuniges
Zurückklettern zum letzten Haken und erneutes Ausrasten. Das Herz rast,
und im Kopf macht sich eine noch lähmendere Müdigkeit als zuvor breit.
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Die Verwunderung, weshalb die Bohrmaschine so gar nicht beissen will, obwohl
ich mir die Schulter beinahe ausrenke vor lauter Draufdrücken,
verschwindet, als ich bemerke, dass der Rückwärtsgang am Bohrhammer eingeschaltet
ist. Wertvoller Akku.- und Oberarmstrom vergeudet bei dem panischen Versuch,
schnell den nächsten Bolt zu setzen. Möglichkeiten, Normalhaken zu
schlagen, Keile zu legen oder den Skyhook zu platzieren sind da, aber in keine
dieser Möglichkeiten ist mein Vertrauen groß genug, als dass ich in
so einer Sicherung sitzend Haken setzen könnte; alles wird aus der
Kletterstellung oder vom letzten Bolt aus gebohrt. Ich schäme mich wegen
dieser Verzagtheit und obendrein kostet es enorm viel Kraft. Aber irgendwie
geht es auch so und ich bin nicht genötigt, mich vom guten Sitz des Cliffs
zu überzeugen.
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Mascht ist anders, kompromissloser. Er setzt den Hook, und sich dann in
selbigen. Er macht das, sagt er, weil er nicht über meine Kraft
verfügt und nur so die Bohrhaken setzen kann. Mascht ist einfach
cool. Aber immer kann er auch nicht auf den Cliff zählen. Da steht er dann
auf einmal in der Platte und beim Versuch, auf die Bohrmaschine zu drücken, drückt
er sich beinahe selber aus der Wand. Endlose Minuten vergehen, bis das Loch
tief genug ist, um den den Bolt einschlagen zu können. Oder er sieht keine
Möglichkeit, mit der schweren Maschine am Gurt die nächsten paar
Meter zu klettern. Dann schnallt er die Maschine ab und macht sich
nur mit einem Bund Keile und Friends in's Ungewisse auf, darauf vertrauend,
dass weiter oben ein Riss eines seiner Klemmgeräte aufnehmen wird, damit
er sich daran herunterlassen und den Boschhammer nachholen kann. Das soll ihm
erst einmal jemand nachmachen!
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Jede der sechs Seillängen, jeder einzelne Bohrhaken, den wir aus einfachen
oder echt "depperten" Stellungen gebohrt haben, gibt Anlass zu Erinnerungen und Geschichten, und jede dieser
Geschichten ist lang und vielschichtig. Zu Serendipity, begonnen im Herbst 2005
und ein Jahr später vollendet, gäbe es soviel zu
sagen und zu schreiben, dass ich gar nicht weiß, wie anfangen. Es sind das
nur ein paar Streiflichter und vielleicht finde ich ja noch den rechten Zugang, die
Gedanken zu ordnen, damit auch diese Geschichte, so wie unsere Tour, irgendwann
ein befriedigendes, beglückendes Ende findet.
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