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Da oa:"I bi hi!"
Da ånnare:"I a!"
Genau 4 von den 26 Buchstaben des Alphabets, verteilt auf 2 Sätze mit insgesamt 7 Zeichen,
verschwenden zwei Pinzgauer Kletterer, die nach 9 Stunden
Kletterzeit aus der Südwand der Tofana die Rozes aussteigen, um sich alles zu sagen, was es zu sagen gibt.
Und sogar diese 5 Wörter sind
noch sehr beredt, denn eigentlich würde ein einziger Blick genügen, um sich zu verstehen.
Wer weiß, warum es so viele Jahre gedauert hat, bis Hias und ich uns in die Wände der Dolomiten getraut haben.
Wahrscheinlich, weil es auch zuhause so viele lohnende Ziele gegeben hat, wo wir uns auskennen, und wo wir uns fast immer auf
Bohrhaken unter und über uns verlassen konnten. 2005, bei meinem ersten Besuch bei den Cinque Torri, hat mir der Anblick der
senkrechten, gelb-grauen Mauer der Tofana gegenüber beinahe den Atem verschlagen, und die Routen, die sie durchziehen, waren
jenseits der Grenzen dessen, was ich mir selber mit gutem Gewissen zutraute.
Irgendwann schwärmte dann aber Arthur von den herrlichen Routen im 7. Grad an einem der Pfeiler, welchen er meinte,
hatte ich bald wieder vergessen (heute glaube ich nicht mehr, dass der Arthur die "Pilastro" am "secondo pilastro" gemeint hat, eher eine
der Sportkletterein am Nachbarpfeiler, aber bis zum 29. Juni 2012 war ich davon überzeugt, dass er sich auf diese
Route bezogen hat).
Und weil Arthur früher schon einmal - um sich und mir die Angst und den Respekt vor
einer anspruchsvollen Unternehmung zu nehmen - von einem anderen Kletterer, der jene Tour vor uns unternommen hatte,
urteilte, dass dieser ja "auch kein Held" sei, rückte die Tofana auf einmal in den Bereich
des Möglichen: schließlich ist der Arthur ebenfalls kein Held, oder?
Irgendwann, relativ früh im Jahr, berichtete Hias von seinen Urlaubsplänen, wobei er ein verlängertes Wochenende Ende Juni
für ein paar freie Tage vorgesehen hatte, an denen er etwas erleben möchte. Am besten führen wir in die
Dolomiten, denn da würde er dann auch den Haupturlaub dieses Sommer verbringen, und ein bißchen Vorbereitung könnte nicht schaden.
Da also tauchten die Dolomiten zum ersten mal als
Ziel auf, wobei Hias von mir lange Zeit ein relativ unbestimmtes "ja ja, sowieso…" als Antwort auf Frage
bekam, ob er auf mich zählen könnte. Eine Woche vor Urlaubsbeginn, um Mitternacht in der Passauer Hütte, nachdem wir zu dritt
den Grat über den Mitterspitz mit unseren Feuern beleuchtet haben, besprachen Hermann, Tanja und ich Hias' Pläne für das kommende Wochenende.
Hermann und Tanja redeten davon, dass sie auch gern in den Süden fahren würden, was den nunmehr gemeinsamen Dolomiten-Plänen noch einmal den
nötigen Schwung verpasste. Nicht zu weit weg sollte das Ziel sein, um die Fahrzeit kurz zu halten,
was also lag näher als Cortina d'Ampezzo, die Tofane, die/der "Pilastro"?
Wir hatten uns nie überlegt, welche Routen wir überhaupt probieren wollten. Beim Durchblättern des dicken Kletterführers
fiel mir kurz vor der entscheidenden Telefonkonferenz mit Hias das Topo der "Comici" an der Großen Zinne auf. Die Christine ist die
Comici schon vor Jahren einmal geklettert. Horrorgeschichten hatte sie darüber keine erzählt. Und ob die Christine eine Heldin ist?
Hm, ich glaube nicht (verstehen wir uns nicht falsch: Christine hat sich einmal an der Kaserwand, als sie nicht recht
weiterwußte und sich kurzentschlossen am Haken hinaufzog, selbst den Titel "Queen of the Zero" - sie meinte des A0 - verliehen;
ich hatte und habe aber stets den allergrößten Respekt vor ihr und sehe sie zwar nicht als Heldin, aber definitiv als Queen.)
Der Wunsch "Pilastro"
war inzwischen nebst "irgendeiner Tour am Piz Pordoi" bei Hias deponiert, aber er war sich noch nicht
sicher. Dann, während des Touren-Pokers am Telefon, schlug Hias plötzlich die "Dülfer" an der Großen Zinne als Eingeh-Tour vor.
"Da können wir aber auch gleich in die Comici einsteigen".
Kurzes Schweigen am anderen Ende der Leitung. Dann aber eine sich stetig steigernde Begeisterung für diesen Plan,
sodass es schließlich fest stand: wir würden in die berühmte Comici einsteigen. Aber doch lieber
erst nach der Dülfer? Was würde dann aus dem Pilastro? Erst Comici, dann Pilastro? Nein, zu anstrengend! Dülfer und Pilastro? Aber
wir wollten doch die Comici!
"Wos es tats is ma gleich, de Tanja und i mia foahn zur Tofana", sagte schließlich Hermann
ungeduldig, als Hias und ich auf
seiner Terrasse alle unsere Möglichkeiten diskutierten. Wenn wir also schon zu viert in den Süden fuhren, dann sollten wir doch
wenigstens in's selbe Gebiet fahren, oder?
Darum Ciao Eingeh-Tour, Addio Comici: Hias und ich würden schon am kommenden Morgen in die "Pilastro" einsteigen.
Ich rechne es Hias hoch an, dass er sich nicht gegen diese Entscheidung gewehrt hat. Vielleicht wurde er mit dem Umstoßen aller
bisher gewälzten Pläne auch einfach nur überrumpelt.
Die drei Autostunden bis nach Cortina waren in einer bestimmten Weise bereits denkwürdig: drei Geschwindigkeits-Kontrollen durch
die Polizei, einmal davon
erwischt und mit dreißig Euro bestraft (Frage des Polizisten:"Haben Sie die dreißig Euro vielleicht genau?".
Antwort Hias, nach Kontrolle seiner und auch meiner Geldtasche:"Naa, owa zwanzg bracht' ma z'som!". Der
Polizist konnte dann leider doch wechseln.)
In einer Pizzeria in Toblach konnten wir dann während des genüsslichen Verspeisens von Pizza mit Bier
die zweite Hälfte des EM-Halbfinales Deutschland gegen Italien (1:2 Endstand) verfolgen: neben dem Pizzabäcker und dem Kellner
als einzige Gäste des Lokals.
Unsere Ankunft spät nachts war dann auch noch von einem beeindruckenden Wetterleuchten begleitet,
aber Zeit uns deswegen Sorgen zu machen hatten wir keine, dafür waren wir beide schon viel zu müde.
Liebes Tourenbuch!
Jetzt habe ich soviel darüber geschrieben, wie es dazu kam, dass Hias und ich am 29. Juni um 7 Uhr in der Früh von der
Dibona-Hütte aus der "Pilastro" zustrebten, dass für die Tour selber beinahe kein Platz mehr bleibt. Und was gäbe es da
nicht alles zu beschreiben: von festem, grauem Kalk in den Einstiegslängen, der aprupt in brüchigen, gelben Fels in den
Schlüssellängen übergeht, dabei aber trotzdem toll zu klettern ist, weil er schon so abgeklettert ist von den vielen
Begehern vor uns. Dass wir die einzigen an diesem Tag in der Route sind, uns aber nie allein fühlen, weil wir
Hermann und Tanja in Rufweite am ersten Pfeiler wissen. Von schlechten Haken und bombensicheren Klemmkeilen. Der Stolz,
alles freiklettern zu können. Die fette Maus am Biwakplatz, mitten in der Wand. Regentropfen zwischendurch, buchstäblich aus
heiterem Himmel, denn es ist einer der heißesten Tage dieses Jahres. Unglaubliche Beklemmung und Anstrengung im 6+ Kamin des
"schiena del mulo". Hias' heldenmütiger Kampf ebendort, wo ich ihn im Stich lasse,
weil ich - ihn nicht sehend - das Seil nicht ganz einziehe. Der Kampf gegen den Absturz im Kamin,
von Hias als "Auffimanz'n" bezeichnet, trägt ihm ein "Moach" am Finger ein, stolze
Wunde und Erinnerung an unsere Tour. Das Suchen nach der richtigen Linie; leicht, wenn es schwer ist, weil dann
viele Haken den Weg markieren, schwer, wenn die Kletterei leicht ist, weil die Route dann überall hinführen
könnte und keine Haken die Richtung weisen. Ein letztes mal Panik am Stand vor dem langen Quergang: an einem zwar guten, aber
doch nur einzelnen Haken. Und wie unbeschreiblich das Gefühl, in die Scharte zwischen dem zweiten Tofana-Pfeiler und der Tofana di
Rozes auszusteigen und das unglaubliche Panorama der beiden anderen Tofane vor Augen zu haben? Und schließlich noch der Blick vom
Pfeilerkopf hinunter auf die Spielzeugtürme der Cinque Torri, ganz weit unter uns, wo wir uns seinerzeit
im Gras liegend auf genau diesen
unendlich weit entfernten Platz hier hinauf geträumt haben.
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