Das Groamatkatzei

Groamatkatzei

Leoganger Stoaberg

Vor dem ersten Stand Der Hof des Bauern H. war einer von dreien, die zusammen einen Weiler bildeten, der für seine fruchtbaren Felder und saftigen Wiesen bekannt war. Wahrscheinlich hatte die Katze, die selbst gerade erst ein Jahr alt und dementsprechend unerfahren war, diesen ihren ersten Wurf von vier gesunden Kätzchen zu früh aus dem Versteck in den offenen Stall getragen, um ihn stolz dem Hofherrn zu präsentieren, jedenfalls hatte der Kater, der unumschränkte Herrscher über die Gegend um den Weiler und Erzeuger fast aller Kätzchen, die dort geboren wurden, seinen Nachwuchs in einem von der Mutter unbeobachteten Moment zu fassen bekommen und getötet. Der Bauer H. fand ihre zerbissenen Körper am nächsten Morgen, als er in den Stall ging um die Kühe zu melken. Die Katze, die ihm den Stall von Mäusen freihielt und ausser etwas Milch sonst nichts von ihm bekam, lag in einem geringen Abstand neben den Kadavern in offensichtlicher Trauer. Der Bauer H., sonst ein nüchterner Mensch, der sich nach den Notwendigkeiten des Lebens und seiner Arbeit richtete, griff, nachdem er die Mutter der neugeborenen Kätzchen ein paar mal gestreichelt und ihr gut zugeredet hatte, um sie zu trösten, zur Schaufel und verschwand dann mit den Leichen hinter dem Haus, um sie in der Erde zu vergraben.
Im Sommer war die Kätzin erneut trächtig, sie wurde zunehmend dicker und alles deutete darauf hin, dass sie gegen September erneut Nachwuchs bekommen würde. Nachdem sie, als diese Zeit dann gekommen war, ein paar Tage verschwunden war - der Bauer H. nahm kein anderes Lebenzeichen von ihr wahr, ausser dass die Milch, die er ihr täglich in die Schüssel goss, ausgeschleckt war - zeigte sie sich schließlich eines Morgens mit ihrem zweiten Wurf. Man hatte, da sie während ihrer Trächtigkeit so rund war, mit mindestens drei kleinen Katzen gerechnet, die Kinder des Bauern H. hatten über ihre Zahl sogar Wetten abgeschlossen, nun aber präsentierte sie nur ein einzelnes Kind; ob ihre Nachkommenschaft ursprünglich größer war und nur dieses einzige Kätzchen überlebt hatte, oder ob ihr zierlicher und von der vorhergehenden Schwangerschaft geschwächter Körper nur Substanz und Kraft für dieses eine Lebewesen hatte, konnte man nicht sagen. Allerdings schien letzteres der Fall zu sein, denn dieses einzelne kleine Katzenkind schien selbst von schwacher und kränklicher Natur zu sein. Man wartete am Hof noch ein paar Stunden ab, ob die Katze vielleicht doch noch andere Kinder aus dem Geburtsversteck holen würde, aber es blieb schlussendlich bei diesem einen.
Dieses Kätzchen, das bald nicht mehr weiter beachtet wurde, verursachte aber ein Monat später eine große Begeisterung bei der Familie F., die aus der Stadt kommend ein paar Tage Urlaub auf dem Hof des Bauern H. verbringen wollte. Die beiden Kinder der F.s waren kaum von der Kiste, die der Bauer im Stall aufgestellt und mit einer Decke ausgepolstert hatte und in dem die Kätzin ihr Kleines in den vergangenen Wochen eifersüchtig bewachte und pflegte, wegzubekommen. Frau F., von der Verzückung ihrer Kinder selbst ganz bezaubert, fasste beim Anblick von soviel Zuneigung und ohne viel Nachzudenken einen Entschluss und erkundigte sich nach einigen Tagen bei ihrem Gastgeber, was mit diesem Kätzchen geschehen werde. Der Bauer H. konnte auf diese Frage nicht antworten. Es war auf dem Hof seit jeher üblich, sich um die hinzugekommenen Katzen am Hof nicht weiter zu kümmern, früher oder später liefen sie entweder von selbst davon, wurden von einem Auto auf der nahen Straße überfahren oder vom Fuchs geholt. Es genügte in der Regel, gar nichts zu tun. An diesem Kätzchen hatte er aber bemerkt, dass es tatsächlich krank war, denn es hatte zu der Zeit, wenn die Kätzchen die Augen öffnen, nur eines aufmachen können, das andere aber blieb geschlossen und tränte. Er hatte schon daran gedacht, dieses Tier "von seinem Leiden zu erlösen", so empfand er es jedenfalls, und so sprach er es auch Frau F. gegenüber aus. Diese tat daraufhin schockiert und erklärte sich sogleich bereit, das "arme, unschuldige Wesen", wie sie es ihrerseits empfand und dem Bauern gegenüber aussprach, als Haustier und Spielkameraden für ihre Kinder in die Stadt mitzunehmen. Tatsächlich war dem Bauern H., der alle seine Tiere liebte, das Schlachten und Erschlagen ein Greuel, und wenn er es tat, dann nur, weil er die Notwendigkeit darin erkannte und sich danach richtete. Somit kostete es Frau F. keine große Überredungskunst, dieses ungewöhnlich kleine, aber trotzdem entzückende Tier, das keine Geschwister hatte, vom Bauern H. geschenkt zu bekommen.

Ein paar Wochen später, gegen Ende November, tauchte ganz überraschend und ohne Vorankündigung Frau F. mit dem Auto ihres Mannes auf. Sie kam ohne Begleitung, hatte die dreistündige Autofahrt also allein bewältigt; das heißt, nicht ganz allein, denn am Rücksitz hatte sie den Katzenkorb, der damals extra für den Transport des kleinen Katers - wie sich nach kurzer Inspektion herausgestellt hatte - angeschafft worden war, und in dem Korb saß das Tier und zitterte am ganzen Leib. Sein linkes Auge war immer noch geschlossen und ganz verklebt und verkrustet. Frau F., die eine lebhafte Natur hatte und immer sehr resolut aufgetreten war, war bei der Begrüßund durch den Bauern H. ungewöhnlich still und nervös. Der Bauer H. hatte natürlich den Korb bemerkt und ahnte, was nun kommen würde. Tatsächlich kam Frau F., nach ein paar Begrüßungsworten und höflichen Floskeln, gleich auf den Punkt. Sie schilderte, dass es mit einem Haustier in der Stadt doch nicht so leicht wäre, wie sie sich ursprünglich gedacht hatte, ihre Kinder gingen nun auch wieder zur Schule und kümmerten sich entgegen ihren Beteuerungen während des Urlaubs auf dem Bauernhof nunmehr kaum noch um den tierischen Spielkameraden, ja, und stubenrein sei der kleine Kater leider auch nicht. Kurz und gut, sie wollte den Bauern H. bitten, das Tier wieder zurück zu nehmen, hier wäre es doch besser aufgehoben. Der Bauer H. hörte nur stumm zu und gab mit einem Kopfnicken sein Einverständnis, zu dumm kam es ihm vor, der Frau F. diesen Wunsch abzuschlagen, sie damit vor den Kopf zu stoßen und mit dem kleinen Kater im Auto wieder wegzuschicken. Frau F. dankte ihm erleichtert, gab vor, es sehr eilig zu haben, um vor dem Dunkelwerden wieder zuhause bei ihrem Mann und den Kindern zu sein, und verließ den Hof ohne sich nocheinmal umzudrehen oder zu winken. So sehr schämt sie sich also, dieses Wesen, vor dem sie sich wahrscheinlich in Wahrheit wegen der Unreinheit und des entzundenen Auges ekelte, im Stich zu lassen, dachte der Bauer H., der das immer noch zitternde Tier am Arm hielt.
Der Bauer H. trug den kleinen Kater auf die Südseite des Stalls und setzte sich mit ihm auf die Bank, die dort in der warmen Spätherbstsonne stand. Er spürte, wie sich das Tier langsam beruhigte und aufhörte zu zittern. Auf ihrem Weg begegneten sie der Mutter des Kleinen, die in einer warmen Ecke an der Mauer der Tenne im dürren Gras döste, aber weder sie noch ihr Sohn nahmen voneinander Notiz. Schweigend betrachtete der Bauer H. die Felder, die jetzt karg und öd vor ihm lagen, und kraulte das alleingelassene Tier am Rücken und hinter den Ohren, wo Katzen es am liebsten mögen, und gleich begann der kleine Kater vor Wonne zu schnurren. Der Bauer sah, wie die kurzen, zarten Schnurrbarthaare vibrierten und fühlte, wie sich der kleine Kopf gegen seine Hand stemmte. Er wußte, dass dieses Tier sich auf seinem Hof nicht allein erhalten konnte, es hatte das Jagen weder mit seinen Geschwistern üben, noch von seiner Mutter lernen können. Und das kranke Auge würde es auch nicht einfacher machen. So saß der Hofherr eine Weile da und sinnierte, währenddessen der kleine Kater beide Augen geschlossen hatte und in der Hand des Bauern H. eingeschlafen war. Der Geruch der fetten, warmen Erde lag in der Luft. Der Bauer betrachtete nachdenklich des winzige Wesen in seiner großen Hand, dann erhob er sich vorsichtig, um es nicht zu wecken. Den Kopf des kleinen Katers hielt er in der einen Hand, die vier Pfoten hingen links und rechts von der anderen Hand herunter. Die Finger seiner rechten Hand lagen am Bauch des Tieres genau an der Stelle, an der sein Herz schlug, und obwohl der Bauer H. wegen der von der harten Arbeit schwieligen Haut nur wenig Gefühl in den Fingerspitzen hatte, fühlte er doch ganz deutlich das regelmäßige und energische Schlagen eines kräftigen Herzens. Der Bauer hielt wieder kurz inne. Dann schüttelte er traurig den Kopf und ging noch vorsichtiger, noch leiser und noch sanfter mit dem Kater in beiden Händen in den Stall, wo er ganz hinten in der Ecke den Hackstock und die Axt, die darin steckte, wußte.

Am ersten Stand
Nach dem ersten Stand
Letzte Seillänge, erster Haken
Unmittelbar vor dem Ausstieg
Am Mitterhorn, die Tour ist fertig
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Der Bauer H. hat den kleinen Kater natürlich nicht erschlagen! Ganz im Gegenteil, mit fast wissenschaftlicher Neugier bereitete er aus den Kamillenblüten, die die Frau des Bauern H. gepflückt und getrocknet und teils auch schon in Schnaps angesetzt hatte, eine Tinktur, mit der er das verklebte, geschlossene Auge des neuen Stallbewohners täglich abtupfte, um die Entzündung zum Abklingen zu bringen, die er hinter diesem Übel vermutete. Der Kater, der sich zwar eher schlecht als recht als Mäusefänger bewährte und sich überhaupt fast nur von der Milch zu ernähren schien, die ihm in einer Extraschale in der hinteren Ecke des Stalls eingegossen wurde, ließ sich diese Prozedur auch ohne Widerstand gefallen. Es war etwa um Weihnachten, als der Bauer H., gerade im Begriff die Reinigungsprozedur zu beginnen, ganz unvermutet in zwei große runde, und immer noch sehr blaue Augen blickte.